Montag, 13. Februar 2012

Matthäus 7,1


"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!"

Ist das eine Anweisung Jesu, keine Missstände mehr anprangern zu dürfen? 

Sicher nicht, denn wenn wir es so radikal auslegen würden, dürfte sich kein Christ mehr ein Urteil über das Tun und Lassen eines anderen Menschen erlauben können, sondern müssten diese Beurteilung allein Gott überlassen. 

Aber dem stehen andere Stellen der Heiligen Schrift entgegen, z.B. die Weisung Jesu: „Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht“ (Mt 18,15) oder die Verheißung am Ende des Jakobusbriefes: „Wer einen Sünder, der auf Irrwegen ist, zur Umkehr bewegt, der rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu“ (Jak 5,20).

Gott gibt uns seine Gebote und damit den Auftrag, diese Gebote in unserem eigenen Leben zu befolgen. 

Sie dienen also zunächst als Richtschnur für unser eigenes Leben, nicht als Maßstab, den wir an das Leben der anderen anlegen dürfen. 

Dennoch bleibt es eine Aufgabe für jeden, der Verantwortung für andere Menschen übernommen hat, wahrzunehmen, wo gegen Gottes Gebot gehandelt wird und gegebenenfalls auch Sanktionen auszusprechen. 

Aber es ist etwas anderes, die Sache zu beurteilen oder die Person. 

Augustinus formuliert: „Die Sünde hassen und den Sünder lieben.“

Einen anderen Menschen zu beurteilen steht uns nicht zu, nicht einmal uns selbst (vgl. 1 Kor 4,3), denn wir sehen immer nur die Außenseite der Dinge und haben niemals das Wissen um alle Faktoren, die bei einer solchen Beurteilung zu berücksichtigen sind. Als Christen stehen wir in der Nachfolge Jesu, der von sich sagt: „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten“ (Joh 12,47). Dennoch wollen wir immer wieder richten. In Gen 3,5 wird als die Grundversuchung des Menschen beschrieben, dass er wie Gott sein und gut und böse erkennen will. Diese Ursünde wird in jedem Akt des Richtens neu vollzogen. Das geht so weit, dass wir nicht nur einander richten, auch nicht nur uns selbst, sondern uns oft sogar zum Richter über Gott aufspielen, indem wir ihm die nach unserer Ansicht bestehenden Mängel seiner Schöpfung vorwerfen.

(Äbtissin Christiana Reemts, Mariendonk)

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