Dienstag, 7. Februar 2012

Erster Erzählung des Pilgers,19

Gebetsgeheimnis

Dann ging ich zum Starez, um mich ihm zu offenbaren, und erzählte ihm alles ausführlich. Nachdem er mich angehört hatte, sagte er:

„Gott sei Dank, dass sich in dir diese Lust aufgetan hat und die Leichtigkeit des Gebets. Es ist dies eine natürliche Sache, die von der häufigen Übung herrührt, so wie eine Maschine, deren Hauptrad man in Schwung bringt oder antreibt, noch lange hierauf selbsttätig weiterläuft; um das Weiterlaufen aber noch zu verlängern, muss man das Rad schmieren und es immer antreiben. Siehst du nun, mit wie vortrefflichen Eigenschaften der menschenliebende Gott sogar die sinnliche Natur des Menschen begabt hat, welche Empfindungen sich einstellen können, selbst außerhalb der Gnade, in nicht gereinigter Sinnlichkeit und in der sündigen Seele, wie du das ja selber erfahren hast. Wie vortrefflich, wie beseligend und voller Süße ist es aber, wenn der Herr Gnade gibt, die Gabe des selbsttätigen inneren Gebets zu entdecken und die Seele von Leidenschaften zu reinigen! Dieser Zustand ist unbeschreiblich, und die Offenbarung dieses Gebetsgeheimnisses ist ein Vorgeschmack der himmlischen Süßigkeit auf Erden. Dessen werden gewürdigt, die in der Einfalt ihres liebevollen Herzens den Herrn suchen! Nun gestatte ich dir: verrichte das Gebet, sooft du willst, soviel als möglich, bemühe dich, alle wachen Stunden dem Gebet zu weihen, und rufe den Namen Jesu Christi an, ohne Zahl, dich demütig dem Willen Gottes hingebend und von ihm Hilfe erwartend; ich glaube, dass er dich nicht verlassen und deine Wege leiten wird.”



(nach: Emmanuel Jungclaussen, Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers, 1974)

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