Samstag, 11. Juni 2011

Pater Anizet Koplinski, Kapuziner, 5

 (Schluss)

Als 66-Jähriger kam Pater Anizet in den Block der Invaliden, der neben dem Block der Todeskandidaten lag. Was in den nächsten fünf Wochen an Misshandlungen und Beschimpfungen auf ihn einstürmte, wissen wir nicht genau. Pater Archange1us, Provinzial und Leidensgenosse von Pater Anizet berichtet: "Anizet wurde beim Aussteigen aus dem Zug misshandelt, beim Marsch zum Lager geschlagen, weil er mit den anderen nicht Schritt halten konnte. Außerdem hatte ihn ein SS-Hund gebissen. Bei der Abzählung wurde Pater Anizet mit anderen Älteren und Arbeitsunfähigen von den übrigen getrennt und neben dem Todesblock untergebracht. Man hat ihn auch gebrannt. Er hat in den letzten Tagen viel geschwiegen und gebetet. Er blieb immer ruhig und still!"
Die Unterbringung im Block der Invaliden war gleichbedeutend mit einem Todesurteil. In jenem Block wurde niemand ärztlich behandelt. Im Gegenteil, mit der mörderischen "Gymnastik" wurde der Tod beschleunigt. Unter solchen Umständen starben täglich über hundert Menschen.
Pater Anizet starb wahrscheinlich am 16. Oktober 1941. Was letztlich die Todesursache war, ist heute nicht mehr genau feststellbar: War es direkte Ermordung oder haben die unmenschlichen Lebensbedingungen zum Tode geführt? Wir wissen es nicht. Eine Quelle spricht vom Tod in der Gaskammer; eine andere Quelle berichtet: die Helfershelfer der SS warfen ihn mit anderen Häftlingen bei lebendigem Leibe einfach in eine Grube und streuten ungelöschten Kalk über sie. Ein qualvolles Sterben, denn der Kalk löst eine starke Ätzwirkung aus, die dem Verbrennen bei lebendigem Leibe gleichkommt.
Tatsache ist jedoch: Eineinhalb Monate lebte er im KZ. Er, der arm gelebt und sich für die Armen und Verfolgten aufgerieben hatte, starb hier in äußerster Armut für seine Glaubensüberzeugung und in Solidarität mit seinen polnischen Brüdern.
Über die Abgründe von Hass und Elend hatte seine erfinderische Liebe Brücken von Mensch zu Mensch gebaut. Im Gebet verbunden mit dem leidenden Herrn ging er in das Dunkel des Todes, getragen von der Hoffnung, dass auch sein Sterben mithelfe zur Versöhnung zwischen Deutschen und Polen, Juden und Christen, Katholiken und Protestanten, Armen und Reichen, Häftlingen und Henkern. 

Literatur
P. Viktrizius Veith OFMCap im Jahrbuch 2006 des Heimatverein Dieburg e.V.
Dieburg - Erbe und Gegenwart ISBN 3-00-017891-0---
T. KACZMAREK - F. PELOSO, Luci nelle tenebre. I 108 martiri della Chiesa in Polonia: 1939 -1945, Varsavia 1999.--- L. LEHMANN OFMCap, Anicet Koplin, ein bisher unbekannter Kapuziner, ein neuer Seliger. Ein Lebensbild, verfasst von L. Lehmann, in Mitteilungen der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz, Sondernummer 1/1999, Seite 9 -11.--- E. MOSSMAIER OFMCap, Brückenbauer zwischen Ost und West. Im Geiste von Pater Anicet Koplin. Stein am Rhein 1987. ---V. VEITH OFMCap, Anicet Koplinski (1875 - 1941), Kapuziner – Priester - Martyrer, in Mitteilungen der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz, Sondernummer 1/1999, S. 1 - 3. ---W. J. WYSOCKI OFMCap, O. Anicet z Frydladu, kapucy, 1875 - 1941. Studium biograficzne. Niepokalanow 1992.

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1 Kommentare:

Am/um 11. Juni 2011 um 09:03 , Blogger Johannes meinte...

Vielen Dank für den traurigen und berührenden Text. Ich nehme ihn zu mir herüber, um ein paar jungen Menschen diesen Blick auf die Wirklichkeit zu ermöglichen.
Gesegnetes Wochenende!

 

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