Donnerstag, 19. Juli 2012

Der Mensch im ewigen Leben


Vater - sagte Felix -,
ich habe gehört, dass der Leib im himmlischen Paradies weder isst noch trinkt noch Düfte wahrnimmt und keinen Freuden des Fleisches obliegt. Darum wundere ich mich, wie denn der Leib ohne dieses alles sich des ewigen Lebens erfreuen kann.

Mein Sohn - sagte der Eremit -,
im himmlischen Paradies leben die Leiber in der Glorie. Denk nur an das Eisen in der Schmiede, wie es durchglüht ist, innen und außen voller Feuer. Nicht anders ergeht es den Leibern der Seligen, die das ewige Leben haben, weil sie Gottes Wesen erfahren. Die Seele durchstrahlt so den Leib mit Gutheit, Ewigkeit, Weisheit und Macht, dass dieser jeder Bewegung des liebenden Willens mühelos folgt.

Durch die Worte des Eremiten verstand Felix, dass sich der selige Leib durch den Raum bewegt, sobald die Seele dies wünscht. Die Distanz spielt keine Rolle, in einem Augenblick vermag er sich von Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang zu versetzen. Nichts kann ihn hindern, wenn der Wille befiehlt, denn sonst wäre dieser nicht vollkommen. Gleiches sagte der Eremit vom Lichtglanz des Leibes, von seiner Unsterblichkeit und von der großen Seligkeit, die der Mensch im ewigen Leben erfährt.

(Ramon Llull, Die Kunst sich in Gott zu verlieben, Herder 1985, Textübertragung Erika Lorenz, 100f)

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