Sonntag, 24. Juni 2012

Evagrius Pontikos – aus seinen Briefen, 4

(1) Brief an Melania -3-
   
Wenn doch auch wir bloß über unsere Schmerzen nachsännen, indem wir den Herrn segnen und langmütig mit den uns Dienenden sind, dieweil wir den nützlichen Erörterungen über die Kontemplationen lauschen! Dies nämlich sind die Gesetze der so Versuchten*. Wenn jedoch jene, die uns versuchen, (uns) dadurch versuchen, daß sie uns ergreifen und von höherem Sinnen herabziehen, wir aber die Gespräche mit herumvagabundierenden Männern und mit Frauen vermehren, dann verdoppeln wir (selbst) die Schläge unserer Feinde.
Erinnere dich daran, daß der Böse auch die Freunde Hiobs, als sie den Bedrängten durch das Beschauen der Sinngehalte** der Vorsehung Gottes trösten wollten, antrieb und täuschte, den Seligen zum Zorn hinzureißen, da der Verruchte weiß, daß ein Schmerzleidender leicht in Zorn gerät.

* Gemeint sind die Kontemplationen von Gericht und Vorsehung Gottes, die uns die Erkenntnis über die Herkunft des Bösen, unser Schicksal und unsere Zukunft verleihen. Hiob segnete Gott und meditierte über den Sinn seines Leidens. Vgl. Ep 58,4 (mit Anm. 10). — Evagrios hat Scholien zu Hiob hinterlassen, vgl. BALTHASAR, Hiera, S. 204 f., die noch der Edition harren.
** Zur Bedeutung dieses Begriffes vgl. Einleitung S. 117; 120; 132. Hi 19, 16.

(aus: Evagrios Pontikos, Briefe aus der Wüste, 64 Briefe des großen Kirchenvaters mit wissenschaftlicher Einführung, Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Gabriel Bunge, Paulinus-Verlag Trier 1986)

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