Freitag, 6. Juli 2012

Evagrius Pontikos – aus seinen Briefen, 16


(4) Brief an Abba Lukios -5-

Es besteht daher für jeden, der in diesem Kriegshandwerk dient, die Notwendigkeit, von unserem Herrn die Gabe der Unterscheidung zu erbitten, während ihm (natürlich) nichts von den Dingen fehlt, die zum Empfang dieser Gabe nötig sind. Dies sind, summarisch, Enthaltsamkeit, Demut, Wachen, Entfernung von der Welt (Anachorese), Beständigkeit des Gebetes, die durch das Lesen der göttlichen Schriften gestärkt wird. Nichts nämlich bewirkt so wie das Lesen der göttlichen Schriften die Reinheit des Gebetes. Der Tugendwandel nämlich schneidet die Leidenschaften ab, als da sind Begierde und Trauer und Zorn. Das Lesen aber rodet nach dem Tugendwandel (auch noch) das geringfügige weltliche Sinnen aus uns aus und weiht unseren Intellekt in die gestaltlosen Einsichten des Wesens der göttlichen Erkenntnis ein9, die unser Herr in seinem Evangelium allegorisch eine „Kammer” nennt10, in der wir den heiligen und verborgenen Vater schauen werden.

9 Vgl. in Ps 129, 8 [R 8]: Die Praktike entfernt nur die leidenschaftlichen Gedanken; von den Gedankensünden und schließlich den Gedanken überhaupt wird der Intellekt erst befreit, wenn er zur Erkenntnis (yvibat) gelangt ist.
10 Mt 6, 6.

(aus: Evagrios Pontikos, Briefe aus der Wüste, 64 Briefe des großen Kirchenvaters mit wissenschaftlicher Einführung, Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Gabriel Bunge, Paulinus-Verlag Trier 1986)

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