Ja, keusch – aber nicht sofort, 3 von 3
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Drittens missverstehen
viele Menschen, was die Psychologie über "Verdrängung" lehrt.
Sie lehrt uns, dass "verdrängte" Sexualität gefährlich ist. Aber
"verdrängt" ist hier ein Fachausdruck; er bedeutet nicht
"unterdrückt" im Sinne von "verneint" oder abgewiesen".
Unter einem verdrängten Wunsch oder Gedanken versteht man etwas, das - meist in
sehr früher Jugend – ins Unterbewusste abgedrängt wurde und das jetzt nur in
verschleierter, unkenntlicher Form vor das Bewusstsein tritt. Verdrängte Sexualität
zeigt sich dem Patienten gar nicht als solche. Wenn ein Jugendlicher oder ein
Erwachsener sich bemüht, einem bewussten Verlangen zu widerstehen, so hat das
mit Verdrängung nichts zu tun. Im Gegenteil: Wer ernstlich um Keuschheit ringt,
handelt viel bewusster und weiß um sein eigenes Triebleben besser Bescheid als
jeder andere. Er weiß Bescheid um sich und sein Verlangen wie Wellington um
Napoleon oder Sherlock Holmes um die Verbrecherseele, wie ein Rattenfänger um
Ratten und ein Klempner um schadhafte Rohre.Tugend, auch wenn sie nur
angestrebt wird, bringt Licht; die Befriedigung aller Wünsche bringt Nebel.
Schließlich
möchte ich noch einmal betonen, dass die Frage der Sexualität, auch wenn ich
hier so ausführlich auf sie eingehen musste, nicht der Kernpunkt der christlichen
Moral ist. Wer glaubt, für Christen sei die Unkeuschheit das größte aller Laster,
der irrt sich. Die Sünden des Fleisches sind schlimm, aber sie sind nicht die schlimmsten.
Die
schlimmsten Lüste sind alle rein geistiger Art; die Lust daran, andere ins
Unrecht zu setzen, herumzukommandieren und andere von oben herab zu behandeln, anderen
den Spaß zu verderben oder sie zu verleumden, sich an der Macht zu berauschen und
Hassorgien zu feiern. Denn zwei Mächte im Menschen versuchen, ihn von seiner
eigentlichen Bestimmung abzuhalten: das Animalische und das Teuflische. Das
Teuflische ist das Schlimmere von beiden. Deshalb kann ein kalter,
selbstgerechter Heuchler, der regelmäßig zur Kirche geht, der Hölle näher sein
als eine Hure. Aber besser ist es natürlich, man ist keines von beidem.
(Komma,
Nr.89-90, 2012, 120ff.)
Labels: Gebet-Betrachtung-Gedanke
2 Kommentare:
Vergelts Gott für diese Textreihe! Schade nur, dass wir Katholiken dies nicht mehr annehmen wollen und schon lange dem Nachgeben jeglicher Gelüste verfallen sind. Ja wir sind ja gar soweit zu behaupten, wer diesen Trieben nicht nachgibt, bei dem kommt es irgendwann zur Explosion.
Mögen viele diese Gedanken entdecken und sich auf den Weg machen um sich von den Fesseln des Müssens und des "Krankwerdens wenn ich nicht kann" zu befreien.
Danke auch für die Klarstellung, dass die Sünden des Geistes noch weitaus schlimmer sind als die des Fleisches.
Das ist gerade deswegen wesentlich, weil die geistigen Sünden völlig ignoriert, totgeschwiegen oder garnicht als Sünde wahrgenommen werden. Hier besteht dringender Korrekturbedarf...
Die Unterscheidung von "animalisch" und "teuflisch" war mir so noch nicht bewusst, aber so ist es.
Danke.
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