Sonntag, 2. September 2012

Täuschung


Vielleicht ahnen wir jetzt die übernatürliche Tiefe dieses Kampfes gegen die natürliche Befriedigung, in dem die oben dargestellte büßende Askese besteht.

Nach dem Zustand, in dem sich die Menschheit heute befindet, kann man nur sagen, dass jedes lebendige Gewissen notwendig schmerzerfüllt sein muss. Und es ist eine bekannte Tatsache, dass die Herzen, die ständig zerrissen sind, die auserlesenen Empfindungsvermögen besitzen.

Umgekehrt bringt das irdische Glück, das natürlichste und gesündeste menschliche Glück unbestreitbar eine Erschlaffung des Gewissens mit sich.

Die Befriedigung des Hungers oder der sexuellen Bedürfnisse geht unwillkürlich in den Schlaf über, jene Seligkeit, auf die sich jede Sinnenlust der Welt richtet.

Das romantische Ineinanderfließen von Liebe, Tod und der poetischen Ekstase einer rein irdischen Mystik ist einzigartig erhellend.

Der Friede, in den sich die Menschheit vor dem Schmerz flüchten will, der sich an ihre Fersen heftet, ist der Friede des Nichtseins.
Dieses Glück ist nichts anderes als eine Betäubung.

(Aus dem Kapitel: Busse und Abtötung, in: Louis Bouyer, Vom Geist des Mönchtums, Otto Müller Verlag 1958, S.226)

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