Erste Erzählung des Pilgers, 8
Ohne Gebet ist Gott nicht zu finden
„Darum ermahne ich vor allem, dass Gebete geschehen“ (1 Tim 2, 1). Hier, nach diesem Wort des Apostels, besteht die erste Unterweisung im Gebet darin, dass er das Gebet an allererste Stelle rückt: Darum ermahne ich vor allem, dass Gebete geschehen. Es gibt viele fromme Werke, die vom Christen verlangt werden, aber das Werk des Gebets muss vor allen andern Werken stehen, denn ohne das Gebet kann kein anderes gutes Werk verrichtet werden. Unmöglich ist es, ohne Gebet den Weg zu Gott zu finden, die Wahrheit zu erkennen, das Fleisch mit seinen Leidenschaften und Lüsten zu kreuzigen, sein Herz mit dem Lichte Christi zu durchleuchten und die selige Verbindung mit Gott zu finden.
Dies alles kann nicht geschehen ohne voraufgehendes häufiges Gebet. Ich sage häufiges Gebet, denn die Vollkommenheit und Richtigkeit des Gebets geht über unsere Möglichkeiten hinaus, wie der Apostel Paulus sagt: ,Denn wir wissen nicht, um was wir beten sollen, wie es sich ziemt' (Röm 8, 26). Folglich ist nur die Häufigkeit, die Unablässigkeit als Mittel unserem Vermögen zugefallen, um zur Reinheit des Gebetes zu gelangen, welche die Mutter eines jeden geistigen Gutes ist. Wirb um die Mutter, und sie wird dir Kinder gebären, sagt der heilige Isaak der Syrer; lerne das erste Gebet dir zu eigen zu machen, und leicht wirst du dann alle Tugenden erlangen. Hierüber aber bestehen nur unklare Vorstellungen, und wer mit der Übung und mit den tiefen inneren Lehren der Väter nicht vertraut ist, wird wenig darüber sagen können.”
So redend, waren wir unvermerkt fast bis zur Einsiedelei gekommen. Um diesen weisen Starez nicht aus den Augen zu verlieren, sondern möglichst schnell eine Erfüllung meines Wunsches zu finden, beeilte ich mich, ihm zu sagen: „Erweist mir die Güte, ehrwürdiger Vater, erklärt mir, was bedeutet das — unablässiges innerliches Gebet, und wie kann man es erlernen; ich sehe, dass Ihr es genau und aus Erfahrung kennt.”
(nach: Emmanuel Jungclaussen, Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers, 1974)
Labels: Jesusgebet, Philokalie, Väter
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