Donnerstag, 2. August 2012

Sünde und Buße


Unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem wahren Begriff der Sünde beruht auf unserer Verstocktheit gegenüber jedem wahren Sinn für das Heilige. Wo der Sinn für Gott verloren ist, wie könnte da der Sinn für die Beleidigungen, die Gott zugefügt werden, erhalten bleiben?

Das ist aber nicht weniger eine Verarmung unseres Menschentums, als ein Vergessen dessen, was darüber hinausgeht. Wenn die Sünde für uns auf ein vages Trägheitsgesetz zusammenschrumpft, haben wir nicht nur ihren übernatürlichen Charakter aus dem Auge verloren. Wir haben viel mehr ihren menschlichen Charakter vergessen. Wir sehen nicht mehr, dass es sich um einen Akt handelt, bei dem unser Gewissen beteiligt ist, um ein Drama, bei dem unsere Person im Spiel ist. Der aus ihr folgende Zustand erscheint uns daher nur als ein bloßes Unglück, das uns im Grunde fremd ist und dessen Folgen man nur oberflächlich zurechtrücken braucht. Die Wahrheit aber ist, dass es sich um einen Fehler handelt, den man büßen muss.

Keine noch so heroischen Vorsichtsmaßnahmen, keine übernatürlich weisen Rezepte können ihn wiedergutmachen. Zum ersten gehören die Grundverzichte des Mönchslebens, zum zweiten die Einsamkeit und das Schweigen, solange man sie noch nicht ausdrücklich an die persönliche Bekehrung: an die Buße, gebunden hat. Man würde die Wirklichkeit, die es in dem Begriff Buße zu sehen gilt, und ihre Beziehung zu allem, was im Leben des Mönchs an Abtötung inbegriffen ist, aushöhlen.

(Aus dem Kapitel: Busse und Abtötung, in: Louis Bouyer, Vom Geist des Mönchtums, Otto Müller Verlag 1958, S.211)

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