Das Abba-Prinzip
In
der aktuellen Ausgabe des „komma-magazin“ beschreibt Dr. Alexander Pschera, der
als Vater von drei Kindern auch erfolgreich im Berufsleben steht, jenes fatale Vater-Bild,
wie ihn der „Zeitgeist“ vorgibt und dem allzu gerne nachgeeifert wird. Er
stellt dagegen seine eigene Auffassung
vom Vater-Sein. Dabei macht er deutlich, dass zwar Autorität notwendig ist, diese
aber nicht darin besteht, etwa den „preußischen Vater“ wieder zu beleben. Wichtig
ist es, als Vater anwesend zu sein in einem für alle verlässlichen
Familienleben. Hier entsteht eine natürliche Autorität, die (weil aus der Liebe
entstehend - nämlich „vorbehaltlos auf
die Ebene der Kinder“ seiend; auch Entscheidungen treffend), wahrgenommen und
akzeptiert wird. Die Entsprechung für unser Handeln finden wir in den Gebeten
Jesu; für diesen Hinweis bin ich Dr. Alexander Pschera besonders dankbar.
Hier
einige Auszüge.
(Hervorhebungen von mir)
[…] Die Gestalt des
Vaters muss scheinbar auf dem Wege des Denkens rekonstruiert werden. Der Vater
- und wahrscheinlich auch die Mutter - hat sich aufgelöst in eine psychologische,
soziologische oder politische Größe. Hier wird dann definiert, abstrahiert und konstruiert,
was das Zeug hält. Man versucht, den Vater neu zu erfinden, neu zu begründen
und neu zu legitimieren. […] Was haben die ein, zwei oder drei Kinder davon,
dass der Vater sich so angestrengte Gedanken über sich selbst macht? Wird das
irgendwo fruchtbar?
[…] Ein
Vater, der schon vor der Geburt alle Hände voll damit zu tun hat, als Vater vor
sein inneres Auge zu treten, verheißt wenig Gutes. […]
Tatsächlich ist
dieses grundsätzliche, rollenbezogene
Nachdenken des Vaters über sein „Vatersein“
bereits der erste Schritt in eine Richtung, die fatale Folgen hat. Das
kann man langwierig erläutern, aber auch an einem einfachen Beispiel illustrieren.
Jeder kennt die Bildergeschichten von E. O. Plauen, die unter dem schlichten
Titel "Vater und Sohn" berühmt geworden sind. Sie erzählen
Alltagsanekdoten, in denen ein Vater und sein Sohn gemeinsam durch dick und
dünn gehen: gemeinsam gegen den Rest der Welt, könnte man sagen. Manchmal weiß
man gar nicht so recht, wer von beiden eigentlich der größere Kindskopf ist.
Trotzdem sind dies vor allem Geschichten eines fundamental geordneten und
geerdeten Verhältnisses von zwei Komplizen. Am Ende ist immer klar, wer das
letzte Wort spricht, das heißt: wer die Verantwortung trägt. Das kann auch
bedeuten, die Ärmel hochzukrempeln und sich selbst in den Kampf zu werfen. Wenn
der Vater mit seinem Sohn loszieht, dann macht er alles, nur eines nicht, nämlich
Gedanken über seine Work-Life-Balance oder seine soziale Rolle. Vielmehr zieht
er einfach los. Er ist Vater in jenem unmittelbaren Sinn, wie sein Kind Kind ist.
Basta.
Diese Gestalt des
Vaters kommt gar nicht mehr zur Ansicht hinter jenem Vatersein, das heutzutage
auf der Agenda allzu vieler Diskussionen steht. Darin wird, auch unter dem Druck einer völlig abwegigen Gender-Diskussion,
bloß an einer Neuerfindung der Rolle des Vaters geschraubt - freilich
ohne die geringste Aussicht auf Erfolg. Denn aus lauter Verzweiflung fangen die
solcherart dekonstruierten und zur Neukonstruktion gezwungenen Väter dann
nämlich an, sich ihr Verhalten bei den Müttern abzuschauen - frei nach dem
Motto: "Die müssen es ja schließlich wissen."
Wenn man den Vätern
nur lange genug einredet, alles, was sie "aus dem Bauch heraus" als Vater
tun, sei falsch, abwegig, missraten und patriarchalisch, dann bleibt ihnen doch
auch wahrlich nichts anderes übrig als jene Flucht zu den Müttern, das
heißt in die Wickelgruppe oder ins Babyschwimmen. Und wenn sie sich dort nicht
wohlfühlen, bietet man ihnen eben einen Kurs zur Rollenfindung an. Hinreichend butterweich
geklopft, nehmen sie dann dankend und mit Kusshand die Ratschläge an, die ihnen
dort erteilt werden.
[…] Das Plädoyer
lautet, den Vater in seiner
Ursprünglichkeit wieder zu entdecken. Und das heißt für die Väter: Weniger zu denken, mehr zu sein. Und
die Luken, durch die Gender-Dämpfe einströmen, dichtzumachen. Sich als Vater natürlich verhalten, heißt
natürliche Autorität ausüben. Die hat immer Ecken und Kanten. Sie sind Zeichen
von Authentizität. "Den Vater" nach Plan gibt es ohnehin nicht.
Es gibt immer nur je unterschiedliche Väter, die sich nicht abschleifen lassen
sollen von den Hobbywerkern des Zeitgeistes.
Es geht natürlich
nicht darum, den Übervater der Wilhelminischen Epoche wiederzubeleben - den
Urtyp des deutschen Vaters, mit Schnauzbart, steifem Kragen und Zigarre, den
die Kinder siezten. Den sie kaum kannten, weil er immer auf Distanz war. Der
preußische Vater besaß eine Autorität, die Distanz schuf und nichts mehr.
Natürliche
Autorität erzeugt demgegenüber Nähe. Sie
lässt zu, dass die Kinder Vertrauen entwickeln, ohne in Angst und Ehrfurcht zu erstarren.
Eine solche natürliche Autorität lässt sich natürlich nicht wie eine Sportart erlernen.
Sie hängt von den Gegebenheiten der jeweiligen Person ab. Der eigenen Persönlichkeit
gilt es zu vertrauen, dann wird sich über kurz oder lang natürliche Autorität einstellen.
Der produktive
Prüfstand der natürlichen Autorität ist das Spiel. Früher lernten die Söhne (und Töchter) von ihren
Vätern noch das Schachspiel. Beim Spiel dialogieren Autorität und Freiheit. Nur
wenn Väter mit natürlicher Autorität auftreten, können sie sich auch wieder
spielerisch mit ihren Kindern ins Vergnügen stürzen – im Sinne jenes Kindes im
Manne E.O.Plauens.
Es gibt in der
abendländischen Geschichte eine Kernszene, die das Vertrauen zum Ausdruck
bringt, das ein Kind seinem Vater mit zugleich größtem Respekt und aus größter
Nähe entgegenbringt. Es sind die Gebete
Jesu, in denen er, allein und entfernt von seinen Jüngern, zu seinem Vater betet.
Er spricht ihn, so ist es überliefert, mit Papa ("Abba") an. In der
aramäischen Sprache, die Christus sprach, bringt "Abba" eine intime,
emotionale Beziehung zum Ausdruck. Hier zeigt sich, je mehr man darüber
nachdenkt, einer der bewegendsten Momente der christlichen Welt: der Ausdruck
der unmittelbaren Gotteskindschaft. Jesus betet in einem ganz ursprünglichen
Ton zu seinem Vater, der gleichzeitig die maximal vorstellbare Autorität hat.
Von dieser Szene aus muss man freilich auch sehen, welche Bürden Gottvater Christus
auferlegt, der sie annimmt und durch sie erst wieder zum Vater gelangt.
Was wir Väter
daraus konkret lernen:
Der Vater muss den Weg des Lebens, den er
kennt und soweit er ihn kennt, seinen Kindern bereiten. Er muss sie an
die Hand nehmen und ihnen Ruhe und Vertrauen einflößen. Begibt er
sich vorbehaltlos auf die Ebene der Kinder und hebt die Distanz auf, die Orientierung
schafft, hört er auf, Leitfigur zu sein. Seine natürliche Autorität ist die
Voraussetzung für einen Raum des Spiels. Den schätzen die Kinder, weil sie spüren,
dass er sie über sich selbst hinausführt - vielleicht bis zu ihrer eigenen Elternschaft.
Das „Abba-Prinzip“, Vom Mutieren der Väter zu Müttern und
der Mütter zu Vätern
Komma-magazin, Nt. 92, 2012, 38-40.
Siehe
auch: http://komma-magazin.de/cms/
Dr.
Alexander Pschera,
Vater
dreier Kinder,
hat
in Heidelberg Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft studiert und
arbeitet als Partner in der Münchner PR-Agentur Maisberger Whiteoaks.
Labels: Gebet-Betrachtung-Gedanke, Lebensschutz, Person
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