Montag, 30. Januar 2012

Erster Erzählung des Pilgers,13

Voller Eifer

Etwa eine Woche beschäftigte ich mich voll Eifer in meiner Einsamkeit auf dem Acker mit dem Erlernen des unablässigen Gebetes, genau in der Weise, wie es mir der Starez erklärt hatte. Anfangs schien die Sache auch zu gehen. Alsdann fühlte ich große Schwere, Trägheit, Langeweile, Schläfrigkeit befiel mich, und allerhand Gedanken rückten wie eine Wolke gegen mich an. Betrübt ging ich zum Starez und erzählte ihm von meiner Lage. Er kam mir liebevoll entgegen und sagte:

„Dies, geliebter Bruder, ist der Kampf der Welt der Finsternis gegen dich; denn nichts ist ihr in uns so furchtbar als das Gebet des Herzens, und darum ist sie auf jede Weise bemüht, einen zu stören und vom Erlernen des Gebets abzuwenden. Übrigens handelt auch der Feind nicht anders als nach Gottes Ratschluss und Willen, sofern dies für uns erforderlich ist. Du musst wohl noch eine Prüfung durchmachen, um zur Demut zu gelangen; darum ist es auch noch zu früh, mit unmäßigem Eifer an den höchsten Zugang zum Herzen zu rühren, um nicht in geistigen Hochmut zu verfallen. Ich will dir für diesen Fall eine Belehrung aus der Tugendliebe vorlesen.”

(nach: Emmanuel Jungclaussen, Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers, 1974)

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